Kulturelle Bildung

cover

Biografische Theaterarbeit zwischen kollektiver und individueller Darstellung

Ein theaterpädagogisches Modell

Schriftenreihe Kulturelle Bildung
vol. 16, München 2009, 215 Seiten
ISBN 978-3-86736-316-7
16,80 EUR
inkl. gesetzl. MWSt - ggfs. zzgl. Porto und Versand
 

Produktbeschreibung

Wie lassen sich biografische Erfahrungen im und durch Theater thematisieren und inszenieren?

Im Schnittfeld von theaterwissenschaftlicher Analyse und theaterpädagogischer Forschung entwickelt Norma Köhler ein didaktisches Modell biografischer Theaterarbeit. Anhand sechs Inszenierungen aus der Theaterpädagogik und der Freien Szene werden die unterschiedlichen ästhetischen Produktionsformen vergleichend vorgestellt und auf die jeweiligen Lernmöglichkeiten für die beteiligten DarstellerInnen untersucht.

Biografisches Theater wird so als eine Kunstform beschrieben, die sich im Proben- und Darstellungsprozess vom traditionellen Theater unterscheidet, indem die SpielerInnen durch individuelle oder kollektive Biografiedarstellung intensive ästhetische und individuelle Lernerfahrungen sammeln.

Die Publikation liefert einen wichtigen Beitrag zu einem theaterpädagogischen Selbstverständnis, das zwischen Kunst und Lebensweltorientierung vermittelt und eine Position markiert, die biographisches und ästhetischen Gestalten und Lernen integriert. Die Veröffentlichung wendet sich deshalb sowohl an Kultur-, Theater- und ErziehungswissenschaftlerInnen als auch an PädagogInnen wie Kulturschaffende im Bereich der Kulturellen Bildung und experimentellen Projektarbeit.


Die „Biografische Theaterarbeit“ von Norma Köhler ist nützlich und wichtig für die Praxis der Theaterpädagogik wie für ihr konzeptionelles Selbstverständnis.
Die Autorin beschreibt und analysiert die Möglichkeiten eines biografischen Ansatzes an drei markanten theaterpädagogischen Beispielen, kontrastiert sie mit drei ähnlich arbeitenden Inszenierungen der Freien Theaterszene und entwickelt aus diesem empirischen Material ein didaktisch brauchbares Ablauf- und Arbeitsmodell mit einer Fülle von hilfreichen Hinweisen.
Mit ihrem Plädoyer für eine „soziale Ästhetik“ unterstreicht sie den seit einigen Jahren zu beobachtenden Trend zu einer stärkeren Berücksichtigung der sozialen Verantwortung innerhalb der Theaterpädagogik (verbunden mit einer Aufwertung von nicht aufführungsbezogenen Spielformen). Sie benennt klar das Pädagogische der Theaterpädagogik (Persönlichkeitsbildung; Mündigkeit; Gesprächs- und Reflexionskultur – um nur an einige Bereiche zu erinnern), ohne den ästhetischen Anspruch aufzugeben. Mehr noch: es könnte, so Norma Köhler, „angezeigt sein, sich wieder mehr und selbstbewusst in die kultur- und allgemeinpolitische Debatte einzumischen und den gesellschaftlichen Anspruch von Soziokultur zu stärken“ (157).

Prof. Dr. Hans Wolfgang Nickel (Universität der Künste Berlin), socialnet.de

Norma Köhler zeigt überzeugend auf, wie in der biografischen Theaterarbeit das soziale Potential von ästhetischer Orientierung in besonderem Maße ausgeschöpft werden kann und gerade für Menschen, die mit dem Theater bisher wenig in Berührung gekommen sind, den Zugang zur Kunst überhaupt motivieren kann.
Und so findet der Praktiker hier zum ersten Mal systematisch entwickelte Kategorien zur biografischen Theaterpädagogik, mit denen die eigenen Erfahrungen verortet werden können.
Die Fachwissenschaft erhält einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung der Theorie, und dem biografischen Theater wird durch Köhlers Arbeit ein angemessener Platz im Orchester der Bühnenkünste zugewiesen.

Erika Römer, Zeitschrift für Theaterpädagogik | April 2011

Die Arbeit von Norma Köhler ist ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Rolle biografischer Theaterarbeit im Rahmen einer theoretischen Fundierung von Theaterpädagogik. Gleichzeitig enthält sie eine Fülle praktischer Hinweise.
Paul Scheller, Spiel & Theater | April 2011
 

Inhaltsverzeichnis

I Vom Leben zur Kunst

1 Biografie auf der Bühne

2 Untersuchungsdimensionen biografischen Theaters

3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Untersuchung


II Biografische Theaterarbeit zwischen Kollektivierung und Individualisierung

1 Biografische Perspektivierung zwischen Wir- und Ich-Bezug

2 Biografische Fokussierungen

3 Zur Funktion des Darstellers


III Gestaltungsverfahren und Erfahrungsmöglichkeiten Produktionsbeispiele von ‚Alt und Jung’, ‚Die Zwiefachen’, ‚Junge Bühne Bonn’, ‚Lubricat’, Michael Laub und ‚Rimini Protokoll’

1 Biografische Materialsammlung

1.1 Kollektive Spurensuche

1.2 Individuelle Spurensuche

1.3 Selbstthematisierung als Ensembleleistung

2 Biografische Rollengestaltung

2.1 Gruppentypisierung

2.2 Einzeltypisierung

2.3 Theatraler Ausdruck als Reflexions- und Lernerfahrung

3 Stückentwicklung

3.1 Verdichtung zu gemeinsamem Sinnzusammenhang

3.2 Verdichtung zu kontrastiven Sinnentwürfen

3.3 Aufführung als öffentliche Selbstinszenierung


IV Folgerungen für die Theaterpädagogik

1 Dramaturgischer Leitfaden

2 Minimaldifferenz als ästhetische Erfahrung

2.1 Minimaldifferenz im Produktionsprozess biografischer Theaterarbeit

2.2 Minimaldifferenz als theaterpädagogische Kategorie

2.3 Biografische Theaterarbeit als doppeltes Lernpotenzial

3 Spielleitungskompetenzen

3.1 Grundlegende sozial-personale Fähigkeiten

3.2 Ästhetische Reflexionsfähigkeit

3.3 Anleitungskompetenz im Produktionsprozess


V Von der Kunst zum Leben

1 Kollektivierende versus individualisierende Darstellungen

2 Zur Anwendung des Modells im theaterpädagogischen Kontext

3 Vom Primat der Ästhetik zur sozialen Ästhetik


VI Anhang

Anhang A: Hintergrundinformationen zu den Produktionen

Anhang B: Auszüge eines Gesprächs mit dem Regieteam Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel (‚Rimini Protokoll’) über die Produktion
‚Deadline’

Anhang C: Auszüge eines Gesprächs mit Alida Schmidt (Darstellerin) über die Produktion ‚Deadline’ von ‚Rimini Protokoll’

Anhang D: Auszüge eines Gesprächs mit Olaf Meier-Sievers (Darsteller) über die Produktion ‚Deadline’ von ‚Rimini Protokoll’

Anhang E: Auszüge eines Gesprächs mit dem Regisseur Dirk Cieslak (‚Lubricat’) über die Produktion ‚Café Dutschke’.

Anhang F: Auszüge eines Gespräch mit Ingrid Reader (Laiendarstellerin) zur Produktion ‚Café Dutschke’ von ‚Lubricat’

Anhang G: Auszüge eines Gesprächs mit Renate Busse (Laiendarstellerin) über die Produktion ‚Café Dutschke’ von ‚Lubricat’

Anhang H: Auszüge des Gesprächs mit Peter Fieback (Laiendarsteller) über die Produktion ‚Café Dutschke’ von ‚Lubricat’

Anhang I: Ein Gespräch zwischen dem Dramaturg Immanuel Schipper und dem Regisseur Michael Laub zu seiner Produktion ‚Portraits 360 sek.’

Anhang J: Auszüge eines Gesprächs mit Imanuel Schipper (Dramaturg) über die Produktion ‚Portraits 360 sek.’ von Michael Laub

Anhang K: Auszüge eines Gesprächs mit Wiebke Puls (professionelle Schauspielerin) über die Produktion ‚Portraits 360 sek.’ von Michael Laub

Anhang L: Auszüge aus einem Fragebogen zur Produktion ‚Freundschaft’ (‚Die Zwiefachen’)

Anhang M: Auszüge aus einem Publikumsgespräch zur Produktion ‚Herzliches Beileid’ von ‚Theater Alt und Jung’


Bibliografie